Schneefall. Alternativ-Route. Der Ortler – Höhepunkt der Etappe und vielleicht sogar des ganzen Transalpine Run – ist zu gefährlich im Abstieg. Wird die 8. und letzte Etappe der grandiose Zieleinlauf oder lediglich Pflichterfüllung im schlechten Wetter?
Team Quick & Dirty ist, wie viele andere Teams auch, in Sulden untergebracht und muss per Shuttle zum Start der letzten Etappe nach Prad fahren. 6:25. Es ist dunkel. 3 Grad. Regen. Der durchnässte und verfrorene Vortag steckt vielen noch in den Knochen. Die Stimmung ist mies. Zum Glück gibt es heute eine Halle am Start, in der wir uns trocken und warm auf den Start vorbereiten können. „Das ist mein 10. TAR. Bisher war ich immer sentimental am letzten Tag. Heute nicht. Heute will ich es nur noch hinter mich bringen,“ erzählt eine Mitläuferin aus unserer Mixed-Kategorie.
Während wir drinnen sitzen, merken wir nicht, dass draußen der Regen aufhört. Hoffnung während der Startaufstellung. Immerhin nicht im Regen starten. Dieses Mal in langer Hose und gleich mit Regenjacke sind wir einigermaßen vorbereitet – und gespannt auf die Alternativ-Route. Es sollen knapp 26 km und 2.000 Höhenmeter werden.
Ein letztes Mal “Highway To Hell“ um 7:59.
Startschuss.
1 Kilometer Asphalt, dann berghoch. Es wird warm. Es bleibt weiter trocken. Wir steigen und steigen. Durch Wald, Forstweg, Fels, Wiese. 1.000 Meter geht es hoch – Südtirol zeigt seine schönste Gegend.
3 Gipfel wird es heute geben, dazu diverse flache Anstiege, die ich zur Feier des Tages laufe. Keine Körner sparen – es ist der letzte Tag. Der Körper macht nach der gestrigen Strapaze erstaunlich gut mit.
Es bleibt trocken. Es läuft sich gut. Es ist wirklich der letzte Tag! Noch 20 km, dann ist der TAR 2019 erfolgreich gelaufen! Wir laufen. Ich versuche so viel wie möglich zu genießen.
Start zum 3. Gipfel. Es treibt mir fast die Tränen in die Augen. Der letzte Anstieg. Die letzten 500 von 16.000 Höhenmetern. „An dem Berg habe ich echt auch geheult,“ erzählt später ein Laufkumpel. „Der scheiß Berg wollte ja gar nicht mehr aufhören!“ Stimmt. Aber irgendwann sind wir oben.
Letzter Abstieg. Die Distanz- und Höhenmeter-Angaben waren zu niedrig. Wir laufen weiter und höher. Ist egal. Da vorne kommt das „5 km to go“ Schild. Das Ziel ist zum Greifen nah!
Wir laufen ins Dorf ein. Alle – wenigen – Passanten jubeln. Es kann nicht mehr weit sein. „Tennishalle an der Bahnstation“ hieß es.
Wir laufen über den Zeitmesser, der immer rund 500 Meter vor dem Ziel ist.
Ich sehe die Halle. Den schwarzen Torbogen. Lisa ist etwas weiter vorne. Wie immer. Vollgas. Wir laufen gemeinsam durchs Ziel in der Tennishalle. Es ist voll. Überall Menschen. Überall glückliche, heulende, lachende, strahlende Gesichter.
Durch.
Fertig.
Transalpine Run 2019 – Geschichte.
Wir sind Platz 6 heute. Bleiben Platz 4 in der Gesamtwertung. Es ist scheißegal. Wir sind über die Alpen gelaufen! Ohne spezifische Vorbereitung. Ohne vorher gemeinsam gelaufen zu sein. Ohne gemeinsam auch nur einen einzigen Ausflug gemacht zu haben.
Es war ein Wagnis. Ein Abenteuer. Eine Reise.
Es war anstrengend. Es war herzzerreißend. Es war beschissen. Es war intensiv. Es war großartig. Es war heiß. Es war kalt. Es war … der Transalpine Run 2019.
Ob ich 2020 wieder starte? Ich weiß es nicht. Ob ich jemals wieder starte: bestimmt.
Was ich gelernt habe: Viel. Richtig viel. Über mich. Über die Berge. Über Menschen in Extremsituationen. Über Equipment.
Nächster Morgen.
6:45 Frühstück. 7:20 Fußmarsch zum Bus nach München HBF. Es schneit. Dicke Flocken. Ich bin froh, dass ich an keine Startlinie muss. Im Bus quäkt “Highway To Hell“ aus einem Handy. „Alter, mach das aus.“ Der Kommentar kommt nicht von mir.
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