Was für ein Sauwetter! Gestern noch 36 Grad, heute Sintflut. Aber ok, kann man mal nen Tag auf der Couch verbringen. Eeeehm, not, denn es steht der erste echte Trailrun Wettkampf seit gefühlten Ewigkeiten an. Nichts virtuelles, sondern derbe dreckig und physisch. Nichts privates, sondern ein Start mit 112 LäuferInnen auf der großen Strecke des Oberlausitztrails.
„Mein letzter Wettkampf? Das ist lange her. Ich glaube, das war wirklich der Oberlausitztrail letztes Jahr im Herbst. Seit dem wurde ja alles abgesagt,“ erklärt unser Mitstarter Felix während wir auf dem Parkplatz auf den Start um 9h warten. Erste auffällige Neuerung: im Starterbeutel gibt es jetzt Tampons. Auch für die Männer (prima gegendert), dafür aber keine Zahnpasta. Die haben nur die beiden Frauen. Lustiger Zufall, der aber zur aus 2019 gewohnten unaufgeregten Orga passt.
Einen Startschuss gibt es auch heute nicht, dafür bleibt der angekündigte Regen noch eine Stunde lang aus. Also ab auf den noch grob bekannten Trail. Das Läuferfeld fühlt sich 2020 aber schon anders an. Es setzt sich direkt ein 10er-Block nach vorne ab. Ein 3er-Team folgt ihnen bald. Ich bleibe bei meinem Tempo, ab und an droppt noch während des ersten Anstiegs vorne einer raus, aber das Führungsfeld läuft einfach weg. Und schon bin ich allein. Was schön!
Die Oberlausitz ist im Herbst zwar noch karg-schöner, aber diese dunklen Wolken und der dräuende Regen haben auch ihren Charme. Nach einer Stunde fängt es an zu nieseln. Angenehm! Während die erste Hälfte des Trails mit Fuchsberg, Valtenberg und Dahrener Berg hoch und runter meandert und meist gut laufbare Feldwege bringt, macht der Himmel die Schleusen auf und nicht mehr zu. Es plattert runter, jeder Fetzen Textil klebt am Körper, die Wege werden matschig, Gras und Holz rutschig. Trotzdem sind ein paar Leute auf den Straßen oder an Fenstern und es gibt großes Hallo für die Verrückten, die bei dem Wetter laufen.
Ich liege erstaunlich gut in der Zeit. Auch nach 20km ist der Pace-Schnitt deutlich unter 6 Minuten pro Kilometer. Erstaunlich, denn man muss mittlerweile wirklich aufpassen, dass man nicht wegrutscht. Ich hätte es vielleicht nicht checken sollen, denn nun ist die mentale Peitsche am Start. Da geht doch noch was! Und wie da was geht – vor allem in den Downhills, die jetzt tricky werden. Es geht leider erstmal schief. Watsch, da liege ich im Dreck. Hat keiner gesehen sagt der eitle Engel auf der dritten Schulter, während der Bewegungsschnelltest zeigt, dass außer ein paar Schrammen und viel Schlamm nichts passiert ist. Den Dreck macht der Regen weg. Ab jetzt noch mehr Fokus!
Die zweite Hälfte der Tour ist deutlich steiler und beginnt mit einem neuen Teilstück, denn die Straße nah Weifa wurde ersetzt durch einen Weg über einen weiteren Hügel und durch den Wald. Es folgen der Große Picho, Galgenberg, Mönchswalder Berg und die Teufelskanzel. Und nochmal der Große Picho von der anderen Seite. Mehr schadet ja nie.
Mittlerweile kommen doch nochmal 2 Läufer an mir vorbei, während die Route sich ab und zu mit den kürzeren Strecken kreuzt. Zum langen OLT (48km / 1400hm) gibt es dieses Jahr den neuen mittleren Track (27km / 900hm) und den bekannten kleinen Trail (16km / 400hm).
Gar nicht so einfach, beim Dauerregen dauernd Augen auf und Fokus hoch zu halten. Ich hole nochmal Läufer ein, die verdächtig den Berg runter rutschen. Vorbeiziehen geht, Kadenz hochhalten – es kann nicht mehr weit sein. Dann die Info „noch 1 Kilometer“. Der Kohleschipper schippt ein paar Kohlen nach, Schlussspurt. Kennen wir doch: „Das ist alles nur dein Kopf,“ sagt der Schlauberger Engel. „Und die Pumpe. Und die Beine, du Arsch,“ sagt der Besserwisser Engel. So oder so, der Chef hat entschieden, also hurtig! Trotz widriger Umstände und einer um 1,5 Kilometer längeren Strecke bin ich 7 Minuten schneller als 2019. Yeah! Da freut sich der Chef und sagt dem Kohleschipper nochmal herzlich danke.
Klitschnass lümmel ich auf einem Badestrand-Liegestuhl, als keine 10 Minuten nach meinem Zieleinlauf ein Sani ein Kühlpack zurechtkloppt. Wohl für eine Prellung? Neee, die legt sich ein Läufer auf den Kopf. Hitzschlag bei dem Wetter?! Respekt. Oder…? Bald sehe ich locker ein Dutzend Läufer mit Kühlpacks auf den nassen Haaren. „Die wurden von Hornissen angegriffen,“ erklärt mir der Sani, als ich mir eine Desinfektion für den geschrammten Arm abhole. Die Berliner Crew erzählt später, dass im Wald eine Stelle deshalb spontan mit einem Fahrrad (!) abgesperrt wurde. Öfter mal was neues.
Da wir trotz Corona-Konzept die Duschen der Sporthalle benutzen dürfen – in kleinen Gruppen dann halt – geht es pünktlich mit Ende des Regens (war klar) wieder auf die Autobahn. Und was bleibt nun vom Oberlausitztrail 2020 nach der „Perfekten Premiere“ in 2019?
- Die Strecke ist deutlich besser markiert. Sehr coole Entwicklung!
- Es sind mehr LäuferInnen am Start und es werden vorne schnellere Zeiten gelaufen.
- DJ Sven wurde wieder verpflichtet, mutet uns aber nicht mehr nur die schlimmsten Fetenhits straight outa hell zu, sondern z. B. auch Utze-Remixe bekannter 80er-Songs. Schon erträglicher.
- Die HelferInnen sind wieder großartig und die wahren HeldInnen des Tages. Bei so einem Rotzwetter…
Fun Facts:
- 2019 haben wir im Regen gestartet und es wurde trockener. 2020 genau andersrum.
- 2019 kamen innerhalb von 3 Minuten Georg und Christian nach mir an. 2020 waren es die gleichen Christian und Georg innerhalb von weniger als 1 Minute.
- 2019 lag die Ratio von finishenden Männern und Frauen beim langen Trail bei 2,6:1, 2020 nur noch bei 4:1.
- 2019 ist jemand im Zielbereich zusammengebrochen, 2020 gab es die Hornissen-Attacke. Diese Serie setzt sich hoffentlich nicht fort.
Man darf auf 2021 gespannt sein!
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