Was muss das für ein Lauf sein, dieser Maintal Ultratrail? DUV-Cup, German Trailrunning Cup, 1. Bayerische Trail-Meisterschaft über 30 km und 1. Unterfränkische Trail-Meisterschaft über 30 km. Letztes Jahr sogar DUV Deutsche Meisterschaft Ultratrail.
Liest sich wie das Trailrunning-Mekka mit Gefahr zum Überlaufensein. Als ich um 17:15 am Sportplatz im unterfränkischen Veichtshöchheim ankomme, sieht aber alles noch mehr nach Vorbereitung eines Fußballturniers der lokalen C-Jugend aus. Im Vereinshaus ist ebenfalls noch Hektik angesagt, während die ersten Läufer eintrudeln. Sehr menschlich, sehr sympathisch! Neben der Startnummer gibt es dann nur noch einen Flyer für 2020. That‘s it. Kein Beutel voller Werbung oder ähnlichem Mist. Shirts gibt es auch nur, wenn man sie bestellt hat oder vor Ort kaufen will. Dass die Dinger 20 Euro kosten sollen, ist allerdings „interessant“ kalkuliert. Pastaparty ist übrigens auch zum Selbstkostenpreis von 3,50 Euro pro Portion. Ebenfalls ungewohnt. Da fällt die Entscheidung nicht schwer, lieber gleich zur Pension zu gehen.
Nachts regnet es , morgens dann trocken aber bedeckt. „Der Boden steckt den Regen prima weg. Und wie ich die Gegend kenne, wird es heute auch nicht regnen,“ heißt es während des Race Briefings um 6:30 Uhr. Seltsam leer ist es. Das sah auf den Bildern von 2018 anders aus. Ein Blick auf die Finisher-Liste Stunden später zeigt: 102 Finisher auf der Ultra Distanz. Gemeldet waren auch nur 126. 2018 haben 258 LäuferInnen gefinished. Da hat die DUV Meisterschaft wohl ordentlich gezogen. Umso entspannter wird es dann wohl auf dem Track!
Das Höhenprofil hat es schon vorher angezeigt: Entspannt wird heute mal gar nichts. Es geht ständig auf und ab. Manchmal sogar richtig steil, man findet nie wirklich einen Flow. Und obwohl es kühl ist, ist die Luftfeuchtigkeit immens. Nach wenigen Kilometern bin ich komplett durchnässt – und ich schwitze nichtmal viel oder schnell.
Von wegen. Der Track ist überraschend technisch. Ständig wechselt der Untergrund, es gibt viele schmale Single Trails, viel Wald, ständige Anstiege. Spannend. Der erste Weinberg tut richtig gut. Endlich mal ein bisschen Weitblick und nen Kilometer einfach laufen lassen. Natürlich inklusive bergauf und bergab. Blick auf den Main, Häuser, Bundesstraße. Dann geht es gleich wieder in Wiesen, Hänge, Wälder. Dieses Spiel wiederholt sich beständig. Kommt man aus dem Wald, sieht man meistens den Main, ab und zu Felder, immer irgendwo Urbanisierung. Fühlt sich seltsam an: selten läuft man auf 64 Kilometern so viele Singletrails und so wenig Asphalt. Trotzdem weiß man immer, dass man sich nur schmal an der Zivilisation vorbeischlängelt. Weite Natur ist das nicht.
Die ersten 25 Kilometer laufen sich ganz gut weg. Die Beine merken die unruhige Belastung aber deutlich. Langsam wird es zäh. Alle 10 Kilometer kommt eine Verpflegungsstelle. Das reicht vollkommen. Trotzdem sind die Softflasks jedes Mal leer. Ich saufe wie ein Loch, kriege kaum feste Nahrung runter. Gut, dass es an VP 2 bis VP 5 genügend Gels gibt. Und freundliche Helfer. Die Leute sind wirklich der Hammer. Genau wie die Streckenbeschilderung. So sauber markierte Tracks wünscht man sich.
Ich laufe weiter. Weiter. Weiter. Irgendwann fällt mir das Wort ein, das diesen Lauf zusammenfasst: höhepunktsarm. Abwechslung gibt es genug. Technische Herausforderung auch. Top Markierungen. Tolle Werte mit 64 Kilometern und 1.700 Höhenmetern. Und trotzdem kommt keine wirkliche Freude auf. Es gibt keine Höhepunkte, keine Wow-Momente, keine „genau dafür mache ich das!“-Gedanken. Der graue Himmel passt dazu – auch wenn ab und zu die Sonne durchlugt oder eine Schauer runtergeht. Es läuft einfach immer nur weiter. Und das zunehmend schwerfälliger. Die Distanzen zwischen VP 5 und 6 und dem Ziel gehen runter auf 8 Kilometer. Kinderspiel? Ein Kinderspiel, das sich zieht.
Bevor der Rundkurs sich wieder für die letzten 1,5 Kilometer zum Ziel schließt, kommt ein heftiger Schauer runter. Hat er eventuell die letzten Markierungen weggewaschen? Mehrmals sind eine Läuferin und ich auf den letzten paar hundert verwinkelten Metern unsicher, wo es langgeht. In Veichtshöchheim angekommen sehen wir nichts mehr, fragen eine Passantin wo es zum Sportplatz geht. Sie weißt den Weg, wir stehen plötzlich im Nachzielbereich bei den schon gefinishten Läufern. Überraschte Blicke, wir laufen ein Mal um den Sportplatz und stoßen auf die reguläre Zielgerade. Ich bin mit meiner Zeit nicht wirklich zufrieden. Erklärungen sind einige im Kopf, aber das macht es nicht besser.
Finish. Erleichterung, dass die Mühe vorbei ist. Euphorie? Endorphine? Begeisterung? Leider nicht. An der Nachzielverpflegung drückt man mir gleich ein leckeres alkfreies Kapzuiner Weizen in die Hand. Dankeschön. Ansonsten ist es spartanisch: Etwas Obst, Butterstreuselkuchen, Salz-Cracker. Alles andere gibt es am Stand zu kaufen, den ich gestern schon ignoriert habe. Nach 10 Minuten Sachen holen, duschen, Heimweg. Ein nüchterner Schluss, der irgendwie zum Tag passt.
Die Zugfahrt nach einem Ultra ist für mich immer ein Highlight. Alles ist ruhig, zufrieden, glücklich. Heute fehlt die Euphorie. Dabei gibt es nichts, das den Veranstaltern vorgeworfen werden könnte: abwechslungsreicher geht es nicht. 99% der Strecke waren top markiert. Die Helfer waren Goldstücke. Ein toller Trail in einer schönen Gegend.
Learning für mich: Wenn ich schon 5h oder mehr für einen Trailrun anreise, möchte ich auch wirklich durch die Natur laufen. Natur. Nicht Gegend. Möglichst weit weg von der Zivilisation. Learning 2: Weinberge sind ja hübsch, aber so wirklich spannend finde ich sie nicht.
Werde ich nochmal beim MTUT starten? Ich glaube nicht. Würde ich ihn empfehlen: prinzipiell schon. Denn es steckt wirklich viel Trail drin, in diesem Trailrun, der so gar nicht überlaufen ist.
(Bilder 5 und 6 (c) mtut.de / Angela Bleichner)
Schreibe einen Kommentar