Warme Sonne, trockene Wiese, Arme und Beine weit von mir gestreckt – ich bin total durch. Der Hunsbuckel Trail 2019 fordert derbe. Hätte ich so nicht erwartet. Neben mir liegt ein Läufer, der noch genügend Energie hatte, eine dünne Jacke überzuziehen. „Ich könnte auch einfach nach Hause fahren und mich ins Bett legen. Aber zu Hause warten zwei Kinder auf mich und werden mir keine Ruhe lassen. Da bleibe ich lieber noch was hier.“ Sagt‘s und macht sich wieder lang.
So einfach die Szene ist, so typisch ist sie für den HuBuT: Anstrengend, aber auch so wahnsinnig sympathisch. Einer der schönsten Landschaftsläufe in Deutschland. So viel schon vorweg.
Wir hatte dieses Jahr viel Glück. Im Gegensatz zur Hitzeschlacht 2018 war ein verregnetes Wochenende mit Starkregen am Lauftag angesagt. Es ist entsprechend matschig, als es um 7h für rund 200 LangdistanzläuferInnnen losgeht. 66 km, 1.600 Höhenmeter. Es ist dampfig, aber kein Regen. Und es bleibt dampfig. Als läuft man durch eine alte Waschküche, denn im traumhaften Hunsrücker Wald geht natürlich kein Lüftchen – egal wie lauthals die Windräder auf den Hügeln drehen. Singletrails, Wurzeltrails, es flowt, es windet sich, es geht immer leicht auf und ab, über kleine Brücken und Flüsse. Asphalt gibt es nur an den wenigen Straßenquerungen, dafür immer wieder leicht technisches Waldterrain. Die erste Getränkestelle wird von allen Läufern im vorderen Drittel ignoriert, sie kommt ja auch schon nach rund 5 km.
Bis zur ersten echten VP dauert es rund 18 km. Malerisch vor einer Burgruine. Wow. Die Auswahl ist mit Obst, Keksen und Tucs rudimentär, die HelferInnen dafür so wahnsinnig nett, dass man gerne bleiben möchte. Gemeinsam noch ein paar Kekse naschen und die Ruine vor aufklarendem Himmel genießen. Aber es ruft das nächste Highlight: Deutschlands höchste und längste Hängebrücke – die Geierley. Aushängeschild des HuBuT, zusätzlicher Touri-Magnet für den Hunsrück. Der Weg dorthin windet sich genauso schön weiter wie bisher, bis er sich über ein paar Serpentinen um etwa 300 Höhenmeter hochschraubt. Und da ist sie. Die Geierley. Erst drunter durchgelaufen, Bogen, und schon ist man drauf. Was ein geiles Gefühl!
Keine Spur von Höhenangst bei den Läufern. Auch ich gebe Gas, spurte das Gefälle hinunter, 100 Meter über dem malerischen Tal. Auf der anderen Seite betreten ein paar Touris die Brücke. Das Konstrukt ist ihnen nicht geheuer. Eine Hand krampft am Geländer, unsicher ein Fuß vor dem nächsten. Dass ihnen ständig Verrückte mit breitem Grinsen entgegenlaufen, macht es wohl nicht besser.
Das erste Drittel des HuBuT ist rum. Was soll nach solchen Highlights noch kommen? Weiter Singletrails natürlich, dazu kleine Klettersteigchen wie den Diellaysteig mit Fußrasten und Führungsseil (Alpinisten: Klappe halten, es hat Spaß gemacht!), Felshöhlen, ziemlich alte Ruinen, feinster Mischwald, weiter auf und ab. Warum war ich eigentlich als Kind nie hier? So viele Spielplätze!
Langsam machen sich aber auch die Kilometer und Höhenmeter bemerkbar. Über viele Anstiege bügel ich weg – Tendenz aber fallend. Im zweiten Drittel ziehen einige Läufer an mir vorbei. Sehen wir uns im letzten Drittel nochmal? Die Beine werden schwerer und schwerer. Die VPs kommen spärlich. Es gibt nur vier, die Distanzen dazwischen 12 bis 14 Kilometer. Leichte Verwirrung am letzten VP. Die Uhr sagt 57 km, also noch 9 km bis zum Ziel. Die HelferInnen sagen, wir seien schon bei 59 km. Die Kraftreserven würde es freuen.
Wir sind bald in Kastellaun. Schönes Städtchen mit Fachwerkhäusern, Burgruine, Stadtmauer. Ich war gestern schon hier und weiß, wo wir sind – es sind jetzt nur noch rund 6 Kilometer. Ab dafür. Berg hoch. Die anderen gehen, ich ziehe vorbei. Sammel diverse LäuferInnen ein. Da längst alle drei Strecken wieder vereint sind (66 / 39 / 12 km) ist nicht ganz klar, wie sich das auf die Platzierung auswirken wird. Ist aber auch egal. Ich bin eh alle und will nur noch ankommen.
Wir verlassen Kastellaun. Im Wald kommen wir bald wieder auf den vom Hinweg bekannten Weg. Doof, dass es beständig latent bergauf geht. Mein Kastellaunschub fordert Tribut. Durchhalten. Noch 3 km? Müsste hinkommen. Weiter leicht bergauf. Irgendwann, irgendwann zeigt die Uhr das Ziel an. Noch zwei Matschwegabbiegungen, dann der Zielbogen. Ein paar Zuschauer stehen auf dem Feld, klatschen. Gib nochmal etwas Gas, du willst doch nicht wie ein Zombie einlaufen. Danke auch, innere Stimme.
Final werden es 7:45 h und Platz 30. Ich bin zufrieden, hatte aber eigentlich mit etwas weniger bei beidem gerechnet. Merke: unterschätze niemals unsere Mittelgebirgsrennen!
Glücklich und voll im Arsch liege ich auf der Wiese, die nicht im Starkregen zerwalkt ist, sondern trocken und warm. Ein Segen. Und der passende Abschluss dieses tollen Rennens, das bestens und ohne großen Schnickschnack, dafür mit einer tollen Route und viel familiärer Atmosphäre organisiert ist. Inklusive übrigens Übernachtungsmöglichkeiten im örtlichen Gemeindehaus / Turnhalle, wo es auch Duschen gibt.
Einzig zwei kleine Kritikpunkte: Für überregionale Starter – ja: mich zum Beispiel – ist Sonntag als Lauftag ausgesprochen unpraktisch. Eine lange Heimreise, die mit ÖPNV übrigens unmöglich ist, ist an einem Samstag mit freiem Sonntag danach einfach relaxter. Und die angekündigt „kaiserlichen“ Verpflegungsstellen waren im Vergleich zu anderen Läufen doch eher solide. Es gab von allem genug und die HelferInnen waren großartig, aber es waren zum Beispiel weder Gels noch Riegel dabei. Das ist per se kein Problem. Eine so große Ankündigung führt aber dazu, dass die Eigenverpflegung kleiner gehalten wird. Keine gute Kombi bei einem 66 km Lauf und nur vier VPs. Das ist aber nur eine Frage der Kommunikation. Also kein Beinbruch.
Kurzer Gedanke im Gras: Das German Traillrunning Cup Finisher-Shirt ist damit auch im Sack. Bleichlochlauf: Check. Mtut: Check. HuBuT: Check. Jetzt noch den großartigen Heldentrail – oder kommt da vielleicht ein spontaner Transalpine Run dazwischen? Das wäre eine dumme Idee… Aber ich mag dumme Ideen!
HuBuT – es war eine Freude. So ein Juwel von Trailrun findet man selten in unseren Mittelgebirgen. Wir sehen uns 2020!
Heike Bruchof
Das hat jetzt richtig spass gemacht diesen Bericht zu lesen..Bin ja nur den kleinen gelaufen ,aber selbst der hat mich schon richtig froh gemacht…Und nächstes jahr laufe ich die 39 km…lg aus Lahnstein…
Tobias
Vielen Dank! Du machst das genau richtig: hocharbeiten und dann vielleicht in 2 Jahren den langen Kanten? Es lohnt sich!