Val d‘Uina – eine so malerische Gegend, dass man nach dem Regisseur sucht, der dieses Setting in Auftrag gegeben hat. Wir erreichen es nach gut 7 km Asphalt und Gravel auf der 7. Etappe des Transalpine Run. Und sind beeindruckt. Laut Plan und Hoffnung könnten wir dem Regen heute irgendwie entkommen.
Die Stimmung steigt mit dem malerischen Ausblick der Uina Schlucht. Wahnsinn. Eine Lehrstunde in Ehrfurcht.
Wir marschieren stramm nach oben, durch Felspassagen, alte Tunnels, an steilen Abbrüchen vorbei.
Die Klamm öffnet sich zu einer Hochebene. Wir passieren erst eine kleine Jägerhütte samt Jägern und ausgeweidetem Wild. Später ein weiteres einzelnes Haus. Wie vorher stehen passend rustikale, ältere Männer davor.
Es tröpfelt jetzt. Und es geht weiter hoch. Bei circa 2.200 Metern kommt der Schnee. Und dauerhafter Nieselregen. Eine fantastische weitere Hochebene, die mit kleinen, schneebedeckten Hügeln und den majestätischen Hochkarätern im nebligen Hintergrund gespenstisch schön ist. Stumm und gewaltig schauen die 3.000er auf uns herab.
Der Lauf hier oben macht Spaß, führt aber LäuferInnen und Equipment hart an die Belastungsgrenze.
Irgendwo da oben überkommt mich die Vernunft: Ich sollte dringend meine Regenjacke anziehen, denn ich bin komplett durchnässt und es ist echt, echt kalt. Das Problem zeigt sich gleich: meine Finger sind so klamm, dass ich die Laufhandschuhe kaum auskriege. Endlich geschafft, kann ich den Reisverschluss der Jacke nicht zuziehen. Ich rutsche ab, kann nicht mehr fest genug greifen. Zu kalt. Und stehend wird es nicht wärmer! Beschluss: egal, Laufweste drüberziehen und gewohnt eng schließen, dann ist die Jacke quasi zu. Doch Überraschung: mit den kalten Fingern schaffe ich das nicht. Ich werde nervös. Ich stehe hier schon viel zu lange. Team-Partnerin Lisa ist längst viel weiter vorne und macht sich Sorgen. Sie weiß nur, dass ich plötzlich nicht mehr da bin. Irgendwann kriege ich endlich den Rucksack zu. Laufe weiter. Finger halb taub.
Wir kommen zum VP 2. Heiße Suppe. Ein Helfer macht mir die Jacke richtig zu. Es schüttet mittlerweile vom Himmel. Immerhin sind wir nur noch auf 1.600 Metern. Es ist minimal wärmer.
Die weitere Strecke wäre sicherlich schön. Aber man sieht außer Wolken und Regen nichts. Die Muskeln sind komplett steif vor Kälte. Selbst die Unterhose tropft schon längst. Und das auf der zweitlängsten Etappe – 46 km und fast 1.800 Höhenmeter. Ich versuche die Kilometer runterzuzählen. Es gelingt nicht wirklich. Zu viele. Zu langsam. Ich will ins Ziel. Ich will ins Hotel. Es ist so beschissen kalt, so unfassbar nass.
Nach dem grandiosen Start verschwimmt der größte Teil der Etappe in ein nasses, ätzendes Einerlei. Es gab Singletrails, rutschige Abstiege, irgendwas mit Wald. Egal. Endlich im Ziel: Grabesstimmung. Jeder friert. Pellt sich irgendwie aus den nassen Klamotten und in das, was der persönliche Dropbag an Wechselkleidung hergibt. Wir waren fast 6 Stunden unterwegs. Andere müssen die Saukälte deutlich länger durchlaufen.
Ab zum Shuttle nach Sulden, wo ziemlich viele LäuferInnen heute schlafen. Ein Tag, den man nicht braucht. Noch ein Tag to go beim Transalpine Run. Die Motivation ist bei vielen auf Null, denn der Wetterbericht wird nicht wirklich besser. Und es ist richtig, richtig kalt in Sulden, auf gut 1.800 Metern. Immerhin der Zusammenhalt steigt mit dem geteilten Leid.
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