Eigentlich ist der fast schon historische Röntgenlauf in Remscheid ein Landschaftslauf wie viele andere auch. Eigentlich. Tatsächlich ist hier aber einiges anders – allem voran die einmalige bergisch-rheinische Stimmung. Ein Lauf, der Freude macht und zu Recht einen hervorragenden Ruf hat.
Im Gegensatz zu vielen anderen Läufen ist das Social Media Brimborium zum 19. Röntgenlauf minimal, die Homepage auch nicht mehr ganz auf dem aktuellen Standard. Aber der Lauf soll prima sein. Das hört man immer wieder. Und auf den Lauf kommt es schließlich an. Also ab ins Bergische Land. Warum der Lauf an einem Sonntag stattfindet, erschließt sich mir zwar nicht, da ein Samstag für die meisten Anreisenden viel praktischer wäre, aber geschenkt. Vor dem Start das erste Novum für den atheistischen Läufer aus der Hauptstadt: eine ökumenische Andacht 10 Minuten vor dem Start. Interessant. Ebenfalls interessant ist das Strecken-Setup. Wir Ultras laufen 63,3 Kilometer – 3 Halbmarathons, die als einzelne Etappen den ganzen Lauf strukturieren.
Ultras und Halbe starten gleichzeitig und laufen erstmal vom Sportareal nach Remscheid-Lennep. Rein. Rum. Retour. Das sind 5km Asphalt und Kopfsteinpflaster mit ein bisschen Altstadtbesichtigung. Kann ich drauf verzichten. Interessant ist aber, wie die HalbmarathonläuferInnen die Pace der Ultras hochhalten. Man will ja nicht komplett zurückfallen. Und richtig großartig ist die Stimmung an der Strecke. Überall stehen Zuschauer und applaudieren, lärmen, rufen uns zu. Viele sieht man an 3 bis 4 Stellen, von wo aus sie ihre Liebsten und alle anderen immer wieder anfeuern. Das habe ich bei noch keinem Lauf so erlebt. Nicht mal beim stimmungstechnisch hochklassigen Rennsteiglauf. So wird das erste Drittel ein unerwarteter Start in den langen Lauftag: Fast nur Asphalt, recht hohes Tempo dank dauernder Begleitung der Kurzstrecke – und kurz vor dem Etappenziel noch die legendäre Prosecco-VP, an der gefühlt jede/r LäuferIn persönlich angesprochen wird. Was ein Familien-Happening mit entsprechend großem Empfang nach 21km.
Danach wird es deutlich ruhiger auf der Strecke. Wir teilen sie uns noch mit den StaffelstarterInnen und den Marathons, die ab hier starten. Sie haben die deutlich schönste Strecke, denn die Etappen 2 und 3 – jeweils ein Halbmarathon wie Etappe 1 – gehen viel durch Wald und nur noch wenig über Asphalt. Technisch oder anspruchsvoll wird es nie, aber das Bergische Land zeigt sich hier von seiner schönsten Seite. Zumal der angesagte Regen tatsächlich dauerhaft weg bleibt. Alle rund 5 Kilometer kommt eine VP, die zwar nur mit dem Notwendigsten ausgestattet sind, aber das reicht allemal: Getränke, Bananen, Müsliriegel vom Bäcker, Salz. Und wie immer: allerbeste Stimmung. Die haben sogar die HelferInnen von Feuerwehr, THW und Co., die überall dafür sorgen, dass wir problemlos über Straßen kommen und keine Gefahrenstelle übersehen werden kann. So eine sichere und top ausgeschilderte Strecke findet man selten.
Was jetzt noch hart wird, sind die vielen langgezogenen Anstiege. Aber das ist halt typisch für die Gegend. Gehen muss man nur selten – die 63 Kilometer des Röntgenlaufs sind vor allem Kopfsache. Die Schnellsten schaffen es in rund 5h (Verrückte…), die Langsamsten in rund 9h. Mit knapp unter 7h pendel ich mich dazwischen ein, freue mich im Ziel über die frischen Schnecken vom Bäcker und komme an der Bushaltestelle natürlich sofort mit den dort wartenden Rentnern ins Gespräch. Großraum Rheinland halt: man redet miteinander und freut sich des Lebens.
Was ein schöner Lauftag. Dabei hat der Röntgenlauf für mich viel zu viel Asphalt. Und weder die Aussichten, noch der technische Anspruch sind überwältigend. Aber so eine herzliche Veranstaltung findet man nur selten. Wie gemacht zum Ende der Lauf-Saison 2019. Sollte man mal gelaufen sein. Oder auch zwei Mal.
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