Kühe vor traumhaftem Bergpanorama, ein malerischer Bergrücken mit Hof unter strahlend blauem Himmel – was habe ich es vermisst, in den Bergen Trails zu laufen. Aber mit Pippi in den Augen läuft es sich schlecht. Heißt es. Und das stimmt auch. Also Fokus auf den Weg, denn der Track bleibt nur kurz auf Wirtschaftswegen und nimmt jede Steigung, jeden Gipfel, jede technische Passage mit. Kein Wunder, dass die von Tourismus Lenggries veröffentlichte Hirschbachtalumrundung als schwarze Wanderroute gilt und alpine Erfahrung und Schwindelfreiheit voraussetzt.
Aber statt rund 9h zu wandern, lässt sich das Ding doch sicher auch trailen. Und wie das geht! Die ersten gut 700 Höhenmeter steigen steil bergauf. Der Weg hat an ein paar Stellen noch Schäden vom letzten Sturm, ist aber markiert. Es summt und brummt die ganze Zeit, während der Schweiß anzeigt, dass wir halt die heißeste Woche des Jahres haben. Auf dem Geierstein (1491 Meter) das erste Kreuz – es ist hart erarbeitet. Von nun an wechseln teils ziemlich technische Trails hoch und runter mit grandios schönen Almwiesen, extrem steilen Passagen und Ausblicken, wie sie das Tourismus-Marketing kaum schöner malen kann.
Nachdem die Corona-Situation dieses Jahr nahezu alle Trailrun-Wettkämpfe in den Bergen (zu Recht!) verhindert hat, geht mir jetzt bei jeder Kurve, jedem verwurzelten Downhill, bei den diversen Grat-Trails und den steilsten Aufstiegen das Herz auf. Es ist heiß, an windstillen Stellen schwül, anhalten ist eine schlechte Idee, da die Fliegen einen sofort belagern und es kann weniger gelaufen werden, als gehofft. Trotzdem könnte es kaum schöner sein – das Corona-geplagte Herz freut sich und pumpt Energie in die beanspruchten Beine.
Dem Tourismus Lenggries Team muss für die Tour sehr gedankt werden. Ohne GPS sind die oft winzigen Einstiege und Trails zwar kaum zu finden, dafür sind sie wunderschön und an diesem Montagmorgen menschenleer. Es geht am Fockenstein (1564 Meter) vorbei, über den Ochsenkamp (1594 Meter) und über den ersten Grat zu Auerkamp (1607 Meter) und Spitzkamp (1603 Meter). Weiter auf der Liste stehen der Brandkopf (1569 Meter), das Seekarkreuz (1601 Meter) und dann endlich die Lenggrieser Hütte. Wer es bis hierher schafft, hat Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und passendes Equipment bewiesen. Alles drei absolute Voraussetzungen für die rund 22 Kilometer und knapp 1.800 Höhenmeter.
Von der Lenggrieser Hütte sind es keine 4 Kilometer mehr und es gilt über 600 Höhenmeter nach Lenggries runterzulaufen. Ein Schild weist über einen breiten, gut ausgebauten Weg – doch auch hier gilt: es geht noch immer vordernder, idyllischer, belohnender. Ein kaum zu sehender Weg ohne Schild führt am Stacheldraht neben der Hütte wieder bergauf. Es folgt ein winziges Kreuz auf dem Grasleitenkopf (1433 Meter), ein schmaler Grat, der mit einem letzten deluxe Panorama-Blick auf Lenggries und Umgebung vom Grasleitenstein (1268 Meter) belohnt – und ein wunderbar technischer Singletrail nach unten. Zum Finale noch rund ein Kilometer in der Ebene zurück zum Startpunkt am Wanderparkplatz. Ja liebe Beine, diese schnelle Fortbewegung ist laufen. Nicht klettern, nicht tippeln, nicht balancieren, nicht tasten.
Nach 4:27h bin ich wieder am Auto. Die Erschöpfung wird von der seligen Euphorie überdeckt, die sich sonst nur nach alpinen Wettkämpfen einstellt. Verdammt, habe ich die Läufe in den Bergen vermisst! Berlin hat ja viel – aber halt leider keine Berge.
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