29 Kilometer, 1.800 Höhenmeter, rutschiges Terrain, Berggewitter vorhergesagt. Der 2. Tag beim Transalpine Run 2019 ist knackig aber großartig.
6 Uhr. Es ist dunkel und kalt, aber trocken. Da wir 2019 die Westroute laufen, geht es heute von Lech nach St Anton. Nur 29 km, dafür 3 VP. Klingt doch alles sehr machbar. Wären da nicht die Höhenmeter und das angekündigte, gefährlich rutschige Terrain. Streckenchef Martin Hafenmaier warnt vor dem vorgezogenen Start erneut: extrem rutschig, besonders in den grasigen Downhills. Passt auf!
Was am Vorabend noch für latente Verwirrung sorgte, funktioniert heute bestens: Startblocks um 7:00, 7:10, 7:20. Team Quick & Dirty bleibt beim Plan vom Vortag: Vollgas am Anfang, dann ab in den Hang, dann mal sehen. Läuft. Etwas mehr als 1 km mit 4:40er Pace, dann Singletrack. Hier wollen es einige wissen und machen ordentlich Druck, während es 900 Meter zu Rüfikopf hochgeht. Ab der 2.000er Marke ist Trittsicherheit gefragt. Es ist zwar nicht sonderlich technisch, aber halt hochalpin. Felsbrocken, rutschige Stellen, gigantische Sicht.
Leichter Sonnenbrand. Beim Serpentinen-Downhill in den Abhang gerollt. Als 3. Mixed Staffel ins Ziel gekommen. Der Transalpine Run 2019 startet bombastisch!
Das spontane gebastelte Team aus dem höchst alpinen Berlin heißt jetzt Quick & Dirty. Finden wir gut. In Oberstdorf angekommen gleich großes Hallo – die Szene ist halt klein. Wir machen nach dem Racebriefing einen Schlachtplan für Tag 1. Wetter soll weltbest werden – bei 350 Teams und 200irgendwas Run2-Teams (die machen nur 2 statt 8 Etappen) dürfte es voll werden. Knapp 1.000 Läufer die alle frisch und hungrig sind.
Plan: Vorne starten, die rund 2,5 km bis zum ersten Anstieg Gas geben, dann in den wahrscheinlich schmalen Trail. Geplant getan, wir bleiben in Sichtweite vom Führungsfahrzeug, der erste Anstieg kommt – breiter Forstweg. Easy. Teamkollegin Lisa läuft salopp vor, ich ziehe nach, Positionierung passt. Sind eh nur gut 200+ Höhenmeter.
„Warum läufst du eigentlich nicht beim Transalpine Run mit?“ „Steht für 2020 auf dem Zettel. 2019 sind Einzelstrecken Programm.“ „Aber ein gemeinsamer Freund kann doch nicht starten und jetzt ist sein Team-Platz frei. Wollen wir beide das übernehmen?“ Und ewig lockt der Leichtsinn.
Der Lauf ist in 2 Wochen.
Spezifische Vorbereitungszeit: keine Erfahrung mit der Laufpartnerin: fast keine
Warme Sonne, trockene Wiese, Arme und Beine weit von mir gestreckt – ich bin total durch. Der Hunsbuckel Trail 2019 fordert derbe. Hätte ich so nicht erwartet. Neben mir liegt ein Läufer, der noch genügend Energie hatte, eine dünne Jacke überzuziehen. „Ich könnte auch einfach nach Hause fahren und mich ins Bett legen. Aber zu Hause warten zwei Kinder auf mich und werden mir keine Ruhe lassen. Da bleibe ich lieber noch was hier.“ Sagt‘s und macht sich wieder lang.
So einfach die Szene ist, so typisch ist sie für den HuBuT: Anstrengend, aber auch so wahnsinnig sympathisch. Einer der schönsten Landschaftsläufe in Deutschland. So viel schon vorweg.
Wir hatte dieses Jahr viel Glück. Im Gegensatz zur Hitzeschlacht 2018 war ein verregnetes Wochenende mit Starkregen am Lauftag angesagt. Es ist entsprechend matschig, als es um 7h für rund 200 LangdistanzläuferInnnen losgeht. 66 km, 1.600 Höhenmeter. Es ist dampfig, aber kein Regen. Und es bleibt dampfig. Als läuft man durch eine alte Waschküche, denn im traumhaften Hunsrücker Wald geht natürlich kein Lüftchen – egal wie lauthals die Windräder auf den Hügeln drehen. Singletrails, Wurzeltrails, es flowt, es windet sich, es geht immer leicht auf und ab, über kleine Brücken und Flüsse. Asphalt gibt es nur an den wenigen Straßenquerungen, dafür immer wieder leicht technisches Waldterrain. Die erste Getränkestelle wird von allen Läufern im vorderen Drittel ignoriert, sie kommt ja auch schon nach rund 5 km.
„Sorry guys, sorry guys.“ Vom winzigen Hamperokken-Gipfel auf 1404 Metern geht es senkrecht runter. Ein Kletterseil als Hilfe – nicht als Sicherung. Der Italiener vor mir ist kurz vor Panik, kurz vor Starre. „Easy man, take your time. No hurry. We all want to get down alive.“ Zitternd schiebt er einen Fuß vor den anderen, krallt sich am Felsen fest. Es sind etwa 20 Meter, bis die Bergspitze sich minimal weitet, das Seil endet. Er schafft es. Stützt sich an die Felswand. Bleich. Atmung kurz vor Hyperventilation. „Do you need anything? Do you have water?“ Er nickt, winkt ab. Wir steigen weiter runter.
Die nächsten rund 800 Höhenmeter abwärts denke ich öfter an ihn. Er wird sich nur noch nach Hause wünschen, denn der Abstieg besteht ausschließlich aus rutschigem Sand, Steinen und immer wieder Felsspitzen. Keine Absturzgefahr, aber fiese Knochenbrechsturzgefahr. Mich schmeißt es nach der Hälfte. Schwerpunkt runter, auf dem Arsch landen. Alles gut. „Falling here is easy, it‘s perhaps the most technical part,“ muntert mich ein Norweger auf, nachdem er sich versichert hat, dass ich ok bin. Er macht den Harakiri-Abstieg schneller als ich. Stürzt selber 3 Minuten später. Rutscht. Rappelt sich auf. Weiter. Ich will nur noch von diesem verdammten Berg runter.
Als wir endlich am wunderschönen Bergsee ankommen denke ich an die erste Hälfte des Tromsø Skyrace. Da dachte ich schon, ich hätte verstanden, was mit „extremely technical“ gemeint war. Nach weniger als 3 km durch Tromsø geht es einen schönen Trail zur Seilbahnstation hoch, von dort weiter auf den Bønntuva. Bevor wir oben sind, passieren wir das erste endlose wirkende Geröllfeld. Aufpassen, bevor es wieder flowig wird. Leichte Trails, downhill, Fersengas. Eine Freude. Dann der nächste Anstieg. Immer weiter. Steil. Es wird tatsächlich eng mit der Cut Off Zeit. Das ist ein bisher unbekanntes Gefühl. Und es geht immer weiter hoch.
Mallorca. Finka. Anfang Februar. Ich habe eine Verabredung mit dem Schicksal. Vor Monaten habe ich das erste Mal vom Hamperokken Skyrace in Tromsø, Norwegen, gehört. 57km lang, 4800 Höhenmeter.
Whaaaaat?!
Diese Bilder. Diese Videos! Liebe auf den ersten Blick. Und Ehrfurcht. Viel davon. Ein Setting zwischen Lord of the Rings und Black Metal. Ein schmaler und umso steiler abfallender Grat. So furchteinflößend wie faszinierend. Die Geschichte konnte von Anfang an nur ein Ende nehmen – ich werde nach Norwegen fliegen und das Ding laufen. Und ich werde es finishen! Es wird mein größtes Abenteuer 2019.
Hindernisse? Seltsames Wort. Laut Duden ein „hindernder Umstand, Sachverhalt; Hemmnis, Schwierigkeit“ Ok, zu diesem Zeitpunkt war mein härtester Lauf der Heldentrail vom Südthüringentrail. Ordentliche Kante mit 65km und 2.500 Höhenmetern. Aber nicht alpin. Keine Absturzgefahr. Kein gnadenloser Grat. Und keine 4.800 Höhenmeter! Da hätten wir ein sehr ernsthaftes Hindernis. Wtf, wird ignoriert.
Mallorca. Die Anmeldung öffnet. Server in Norwegen und WLAN in der Finka sind lahm. 30 Minuten nach Öffnung dann die Bestätigung. Ich bin drin! Fuck – ich bin drin! Ich laufe das verdammte Hamperokken Skyrace! Totaler Flash! Doch was genau heißt das? Viel trainieren. Vorbereiten. Lange Läufe wie der Rennsteig Supermarathon. Höhenmeter sammeln, z. B. beim FichtelbergUltra. Alpine Erfahrung holen beim Zugspitz Ultratrail.
Jetzt sitze ich hier. Im flachen Berlin. Tapere. Übermorgen geht der Flieger. Ich habe das WE mit viel Rennrad- und CX-fahren verbracht. Knochen schonen aber Muskeln warmhalten. Jetzt komplett erholen. Ich schaue mir Videos an, lese berichte. Verdammt, worauf habe ich mich da eingelassen?
Es wird der Hammer. Es wird intensiv. Ich freue mich derbe. Dieser Lauf und ich – wir sind weiterhin füreinander gemacht. Hoffe ich. Körperlich bin gut vorbereitet. Da mache ich mir keine Sorgen. Aber wie sieht es technisch aus? Es wird spannend.
Interessant übrigens, dass es von den Veranstaltern keine letzten Infos vor der Anreise gibt. Es gibt auch keine Pflichtausrüstung, die mitgebracht werden muss. Ganz anders als beim Zugspitz Ultratrail, wo es absolut sinnvoll ist und geprüft wird. Ganz anders als beim Maintal Ultratrail, wo es unnötig ist und trotzdem geprüft wird. Dabei ist es in dieser unwirtlichen Gegend ganz oben in Norwegen wirklich wichtig, das richtige Equipment dabei zu haben. Oder haben es die Norweger etwa geschafft, den gesunden Menschenverstand nicht nur zu fordern, sondern auch so zu triggern, dass die TeilnehmerInnen tatsächlich kluge Entscheidungen treffen? Wenn sie mal nicht bevormundet werden?
Es wird spannend. An allen Fronten und Enden.
Jetzt heißt es Daumen drücken, dass das Wetter gut wird. Im Regen macht es nicht nur wenig Spaß, sondern wird auch richtig, richtig gefährlich in den technischen Passagen.
Liest sich wie das Trailrunning-Mekka mit Gefahr zum Überlaufensein. Als ich um 17:15 am Sportplatz im unterfränkischen Veichtshöchheim ankomme, sieht aber alles noch mehr nach Vorbereitung eines Fußballturniers der lokalen C-Jugend aus. Im Vereinshaus ist ebenfalls noch Hektik angesagt, während die ersten Läufer eintrudeln. Sehr menschlich, sehr sympathisch! Neben der Startnummer gibt es dann nur noch einen Flyer für 2020. That‘s it. Kein Beutel voller Werbung oder ähnlichem Mist. Shirts gibt es auch nur, wenn man sie bestellt hat oder vor Ort kaufen will. Dass die Dinger 20 Euro kosten sollen, ist allerdings „interessant“ kalkuliert. Pastaparty ist übrigens auch zum Selbstkostenpreis von 3,50 Euro pro Portion. Ebenfalls ungewohnt. Da fällt die Entscheidung nicht schwer, lieber gleich zur Pension zu gehen.
Der Zugspitz Ultratrail schreibt seine eigenen Geschichten. Zentral in der 9. Auflage: Unwetter, Absagen, Wut, Zusammenhalt, Hitze, Schweiß, Tränen, Stolz und endlose Freude.
Es ist schwül, deutlich über 30 Grad, Unwetter ist angesagt und die Wolken hängen schwer. Nach rund 1.200 absolvierten Höhenmetern und anschließend über 25 Kilometern in der Ebene geht es schon wieder steil bergan. Ich habe noch nie so viele starke und erfahrene Läufer am Rande des Kollaps gesehen. Die meisten haben wohl in der Ebene überpaced. Es zieht sich, doch meine Taktik scheint aufzugehen: auf der Geraden Körner sparen, Anstiege sauber durchziehen, Abstiege entweder laufen lassen oder überleben, am Ende Tempo machen.
24h vorher: Es ist heiß in Grainau, während immer mehr Sportler über die Expo schlendern und kaufen, fachsimpeln, erzählen. Der ZUT ist ein großes Familientreffen. Ein Thema schwingt bei vielen mit: Für Samstag ist Gewitter angesagt. Und Gewitter in alpinen Bergen ist nicht zu vergleichen mit Regen im Mittelgebirge. Am Nachmittag schweigt der Buschfunk rum, dass die Distanzen Ultratrail (102,5 km) und Supertrail XL (82 km) abgesagt seien. Alle entsprechenden Teilnehmer*innen werden auf den Supertrail (64 km) gesetzt. Die Stimmung ist seltsam, die Hitze steht, die Schwüle wird schwerer. Es hängt was in der Luft – Emotion und Wetter. Das spürt jeder. Dann die offiziellen Nachrichten per Mail, SMS und Social Media. Die Gerüchte stimmen.
1214m hoch, umgeben von Wald und Bergwiesen – der Fichtelberg hat eine mystische und wunderschöne Anziehungskraft. Mit 1214m Höhe weithin sichtbar, muss man sich den Blick aufs malerische Erzgebirge aber erst verdienen. Wie es sich für einen Berg gehört.
Genau das machen rund 100 Läufer bereits zum 6. Mal: 2019 startet der FichtelbergUltra mit Teilnehmerrekord wieder aus dem Wasserschloss Klaffenbach bei Chemnitz.
55 Kilometer und 1.600 Höhenmeter gilt es zu machen, 3 Verpflegungspunkte unterstützen die Läufer. Genau diese Eckdaten haben mich gelockt, als ich von diesem Lauf hörte:
Überschaubare Distanz mit tollem Höhenprofil
Teilnehmer-Limit das eine familiäre Atmosphäre verspricht
1 Lauf, keine Varianten, kein hier-findet-jeder-seinen-Lauf
keine Trailrun-Butterfahrt mit Catering alle 7 Kilometer
Der Rennsteiglauf ist anders. Der Rennsteiglauf ist besonders. Sehen wir uns beim Rennsteiglauf?
Für ambitionierte
Hobby-Ultrarunner geht kein Weg am Klassiker vorbei. Der
Supermarathon bringt 74km und 1.800 Höhenmeter auf die Uhr. Das ist
ein Brett. Also hinmachen, laufen, Urteil bilden.
2019 findet der GutsMuths-Rennsteiglauf zum 47. Mal statt. Inklusive aller Distanzen gibt es rund 20.000 Anmeldungen, fast 2.000 Läufer/innen werden den langen Supermarathon beenden. Wow. Entsprechend erfahren und reibungslos ist die Organisation vor Ort inklusive Klos-Party am Abend zuvor in Eisenach. Thüringer sind halt so stolz auf ihre Klöße, dass es keine Pasta-Party gibt. Eine angenehme Abwechslung.
Übernachtung in der Schule. Beim Rennsteiglauf bedeutet Schule dann auch wirklich Schule. Die Klassenzimmer sind leergeräumt, man schläft auf dem Boden und hat deutlich mehr Ruhe, als in den sonst gerne genutzten Turnhallen. Der nächste Morgen beginnt früh, es ist mit 6 Grad recht frisch, aber trocken und wolkenlos. Schön, wenn der Wetterbericht recht hat, denn diese Aussicht noch zwei Wochen vorher möchte heute niemand haben: