1214m hoch, umgeben von Wald und Bergwiesen – der Fichtelberg hat eine mystische und wunderschöne Anziehungskraft. Mit 1214m Höhe weithin sichtbar, muss man sich den Blick aufs malerische Erzgebirge aber erst verdienen. Wie es sich für einen Berg gehört.
Genau das machen rund 100 Läufer bereits zum 6. Mal: 2019 startet der FichtelbergUltra mit Teilnehmerrekord wieder aus dem Wasserschloss Klaffenbach bei Chemnitz.
55 Kilometer und 1.600 Höhenmeter gilt es zu machen, 3 Verpflegungspunkte unterstützen die Läufer. Genau diese Eckdaten haben mich gelockt, als ich von diesem Lauf hörte:
Überschaubare Distanz mit tollem Höhenprofil
Teilnehmer-Limit das eine familiäre Atmosphäre verspricht
1 Lauf, keine Varianten, kein hier-findet-jeder-seinen-Lauf
keine Trailrun-Butterfahrt mit Catering alle 7 Kilometer
Der Rennsteiglauf ist anders. Der Rennsteiglauf ist besonders. Sehen wir uns beim Rennsteiglauf?
Für ambitionierte
Hobby-Ultrarunner geht kein Weg am Klassiker vorbei. Der
Supermarathon bringt 74km und 1.800 Höhenmeter auf die Uhr. Das ist
ein Brett. Also hinmachen, laufen, Urteil bilden.
2019 findet der GutsMuths-Rennsteiglauf zum 47. Mal statt. Inklusive aller Distanzen gibt es rund 20.000 Anmeldungen, fast 2.000 Läufer/innen werden den langen Supermarathon beenden. Wow. Entsprechend erfahren und reibungslos ist die Organisation vor Ort inklusive Klos-Party am Abend zuvor in Eisenach. Thüringer sind halt so stolz auf ihre Klöße, dass es keine Pasta-Party gibt. Eine angenehme Abwechslung.
Übernachtung in der Schule. Beim Rennsteiglauf bedeutet Schule dann auch wirklich Schule. Die Klassenzimmer sind leergeräumt, man schläft auf dem Boden und hat deutlich mehr Ruhe, als in den sonst gerne genutzten Turnhallen. Der nächste Morgen beginnt früh, es ist mit 6 Grad recht frisch, aber trocken und wolkenlos. Schön, wenn der Wetterbericht recht hat, denn diese Aussicht noch zwei Wochen vorher möchte heute niemand haben:
4 Tage lang sind wir schon unterwegs. Zelt, Schlafsack, Verpflegung in den Rucksäcken. Wir sind am Nordkap gestartet, den Europäischen Fernwanderweg E1 runter. Seit 4 Tagen regnet es. Alles ist nass. Selbst die Taschentücher in der Plastiktüte in der tiefsten Mitte des wasserdicht verpackten Rucksacks. Die ersten Flussdurchquerungen waren noch aufregende Ärgernisse, die ersten wadentiefen Moraste waren noch Grund zum Fluchen. Sie wurden normal. Nach Tag 1 ist die 4er-Gruppe um 1 Person geschrumpft. #4 ist nicht fit genug, bricht ab, so lange noch die einzige Straße hier oben erreichbar ist.
Wilder, leerer, unwirtlicher als die weite Steppe am Nordkap wird es in Europa nicht. „Wahnsinnig schön hier. Glaube ich. Ich sehe halt nichts.“ Das Zitat vom 1. Tag im dichten Nebel hallt mental noch lange nach. Wenn der Regen mal aufhört, zeigt sich Nordnorwegen in seiner schönsten Pracht. Unberührte Natur. Traumhafte Weite. Wildlaufende Rentierherden – dann wieder stundenlang nicht mal ein Vogel. Auch kein Baum. Kein Pfad. Kein Vogel. Nichts.
Komischer Name: Bleilochlauf. „Was soll‘n das heißen?“ hört man immer wieder beim Fachgesimpel anderer Läufer. Sein Ruf eilt dem eher kleinen aber sehr feinen Lauf voraus. Also 2019 zum Saison Kickoff gemacht und ausprobiert. Goldrichtige Entscheidung!
Mit Bahn und Bus nach Saalburg zu kommen, ist die erste Herausfoderung. ICE, Regionalzug, 2x Bus. Personen im Gleis, ICE zu spät, Regionalzug wartet natürlich nicht die nötigen 3 Minuten, Busse fahren nur alle 2 Stunden. Immerhin: Bis Schleiz komme ich irgendwann. Auch ganz schön das Städtchen inklusive ehemaligem Bahnhof, ehemaligem Schloss und noch offener Bäckerei. Nur kalt ist es geworden. Berlin: 26 Grad beim Start. Schleiz 12 Grad beim Ausstieg aus Bus 1.
Endlich mit dem letzten Bus in Saalburg angekommen. Es regnet. Bett im SEZ Kloster reserviert. Etagenbetten. Lange nicht mehr gehabt. Hunger? Es gibt eine Art Pommesbude mit Currywurst am angrenzenden Campingplatz. Danke nein, Vorräte wegmachen und nicht in die nasse Kälte gehen klingt besser.
So viel Qualität muss ein Qualitätswanderweg erstmal bringen: Traumhafte Landschaft, (innerdeutsche) Geschichte, top Ausschilderung und absolutes Traumwetter über Ostern 2019 – der Ausflug von Heilbad Heiligenstadt nach Eisenach über ein kurzes Stück Herkulesweg und längeres vom Werra-Burgen-Steig ist ein Gedicht. Wenn auch ein anstrengendes. 3 Tage jeweils über 30km und insgesamt 2.700 Höhenmeter. Da fließt beim frühen Sommerwetter schonmal Schweiß.
Die Gegend ist von vielen Wanderwegen durchzogen, so dass viele Alternativen denk- und wanderbar sind. Sobald die großen Wege verlassen werden, sollte man allerdings mit Karte und Kompass zurecht kommen. Dann sind Wegzeichen nämlich selten. Gänzlich verlassen ist übrigens, wer dem Pilgerweg mit der Jakobsmuschel folgen will. Die Ausschilderung taucht immer wieder auf, fehlt aber vor allem an schwer zu interpretierenden Abzweigungen dann meist wieder. Da hat jemand mitgedacht. Nicht.
Geschichtlich gibt es dem Namen entsprechend viel historisches, was einen Aufenthalt in den Dörfern und Kleinstädten lohnenswert macht. Burgen, Ruinen, Fachwerk wann immer einem danach ist. Wer Kilometer gut machen will, geht weiter und wird mit schönster Landschaft belohnt, in der trotz Feiertag und Kaiserwetter nahezu niemand unterwegs ist. Nur am dritten Tag kreuzen 2x 2 Wanderer in der Nähe von Kreuzburg den Weg. Und die Geschichte kommt trotzdem nicht zu kurz, da das Grüne Band – also die Gegend der ehemaligen innerdeutschen Grenze – ebenfalls sehr geschichtsträchtig ist. Ein Weg der etwas anderen Art sind entsprechend die kilometerlangen Panzerplatten der ehemaligen DDR-Grenzpatroullien. Auf einem kleinen Höhenzug gelegen, geben sie der ungewohnten Mittagshitze eine fast unheimliche Atmosphäre. Hier sollte irgendwas sein, sagt das Gefühl. Aber außer Geschichte ist hier nichts.
Generell sind die Wege fast ausschließlich gut begehbare Wald- oder Forstwege, was zwar wenig Abenteuer bedeutet, aber auch wenig Asphalt. Wird mal eine Straße gekreuzt, ist der Asphalt meist top. Note to self: ruhig mal mit dem Rennrad herkommen!
Kleiner Wermutstropfen: Der laut Karte bestehende Pfad durchs Grüne nach Eisenach existiert nicht. Das bedeutet unnötige 10 Kilometer über Straße bis zum Bahnhof. Den ansonsten großartigen Eindruck trübt das aber nicht.
Nächste Etappe dann über den Rennsteig wieder von Eisenach weg. Aber dann ohne Zelt und mit Laufschuhen. Denn dazu gibt es ja bald den Rennsteig Supermarathon…
Frühling und Herbst scheinen wir kaum noch zu haben – nach dem Winter ist gefühlt der Sommer wieder da. Dem Training kommt das nur entgegen, denn der Winter wurde für Grundlagen genutzt. Lange Läufe, immer wieder schnelle Einheiten. Neben 30er-Wettkämpfen wie dem Frostwiesenlauf und dem Schneeglöckchenlauf sind auch die ersten beiden Marathons absolviert. Das ist gut so, denn in weniger als einer Woche steht schon der erste reine Trail-Wettkampf an: der Bleilochultra in Saalburg. Danach folgen fast Schlag auf Schlag der Fichtelberg Ultratrail und der Rennsteig Supermarathon.
Mit 74km wird der Rennsteig meine bisher längste Strecke. Gepaart mit diversen Höhenmetern. Um das Training noch spezifischer zu gestalten, versuche ich es mit gezielten Höhenmetern – z. B. beim Community Run Vertical-K am Berliner Teufelsberg (gut 800 HM auf 12km in 90 Minuten) und Sprint-Einheiten, um Spitzen zu setzen: 3.000m im Techniktraining in 11:09 Minuten und 4.300m beim Airport Nightrun in 14:50.
Alles wurde gut verdaut, das normale Training nicht beeinträchtigt. Nur die Tapering-Einheiten sind hart. Das süße Nichtstun ist mental ganz schön anstrengend. Passt die Form jetzt erstmal?
Der Bauch sagt: „Das passt schon so!“
Das Hirn sagt: „Wird schon hinhauen.“
Bleilochlauf, Fichtelberg und Rennsteig werden es zeigen. Danach stehen die wirklichen Herausforderungen an: Zum 1. Mal Zugspitz Ultratrail und das Skyrace im norwegischen Tromsø. Ich bin gespannt!
Es ist kein Training, wenn es nicht weh tut. Habe ich mal irgendwo gehört. Und ist so schön markig, dass es jedem Hobby-Bruce-Willis das Unterhemd feucht macht. Ist aber auch quatsch.
Wobei…
Es ist auch etwas
dran. Unterschiedliche Trainingsreize machen gute Training aus. Das
wissen wir alle. Und es müssen immer wieder Spitzen rein, die
außerhalb des angenehm laufenden Normalmaß liegen. Schneller oder
länger oder beides oder, oder, oder. Eine gute Möglichkeit vor
allem für anstehende Langdistanzrennen: der gute alte Doppeldecker.
Klassischerweise ein Marathon und am nächsten Tag noch einer. Kann
man aber auch abwandeln.
Mitte Februar stand ein kleiner, wunderbar familiär organisierter Marathon in einer der vielen Berliner Parks an. Regen war angesagt, kam aber erst auf den letzten Kilometern. So blieben kühle aber trockene 40 Kilometer, die mit den beiden Regenkilometern auch auf rund 800 Höhenmeter gingen. Eine Seltenheit in Berlin. Tags drauf Wettkampf 2: Frostwiesenlauf. 30 Kilometer, davon 15 im Regen. Hartes Training für die körperliche Ausdauer, aber auch für die mentale Disziplin. Regen und Kälte sind schlechte Begleiter am Tag nach einem Wettkampfmarathon. Aber wo sonst soll die Wettkampfhärte herkommen?
3 Wochen später: Lauf-WE in der Lüneburger Heide. 2,5 Tage, 4 Läufe zwischen 10 und 30 Kilometern, 81 Kilometer insgesamt. Der letzte 30er-Lauf komplett im – Überraschung – Regen. Nicht jeder Kilometer davon hat Spaß gemacht. Als Vorbereitung auf zum Beispiel den langen Rennsteiglauf im Mai oder den Zugspitzultra im Juni aber ganz hervorragende Vorbereitungen. Denn spätestens in den Alpen kann das Wetter noch schneller umschlagen, als gestern bei der Rennradausfahrt mit Wolkenbruch, Hagel und Sonnenschein. Aber das ist eine andere Geschichte.
Also: Inneren Schweinehund knebeln, raus, trotzdem trainieren, und lernen, auch das zu genießen.
“If you die when there’s no one watching and your ratings drop and you’re forgotten”
So heißt es bei
Marilyn Manson in „Lamb of God“. Davon kann man halten was man
will – aber mit Worten kann der Mann gut umgehen. Wenn niemand
zuschaut, ist es nichts wert. Picture or it didn‘t happen.
Das ist mittlerweile
auch im Sport kaum anders.
Heute bin ich über
einen Post gestolpert, der zum Blog einer Sportjournalistin führt.
Sie bereitet sich gerade auf einen großen und harten Trailrun vor.
Gut so. Mehr davon. Natürlich schreibt sie auch darüber. Wer sie
ist. Wo sie hin will. Wie schwer das alles ist. Gemeinsam ist ja
bekanntlich alles leichter. Es menschelt, der Leser leidet, eifert,
schwitzt mit. Und siegt final natürlich auch mit. Das wollen wir
lesen. Das geht uns nah.
Was ein Mist.
Warum liegt es eigentlich in unserer DNA, diese beschwerlichen Wege miterleben zu wollen? Damit außergewöhnliche Menschen trotzdem menschlich bleiben und ich so einen Bezug zu meinem leider total austauschbaren Leben herstellen kann? Und warum ist das harte Training z. B. für den ersten langen Trailrun so viel leichter, wenn es unter dem vielstimmig anonymen Antrieb Beifall klatschender Leser und Liker absolviert wird? Große Leistung bedeutet immer auch harte Vorbereitung.
Am Trail starte ich für mich, die Ziellinie überschreite ich alleine. Diese Euphorie teilen zu wollen, ist nur zu verständlich. Irgendwo muss dieses unglaubliche Gefühl ja hin. Auf das ganze Gefunke vorher kann ich gut verzichten. Wie viele Kilometer hast du schon gemacht? Welche neuen Laufschuhe hast du dir gekauft? Auf welches Superfood bist du umgestiegen?
Kein Interesse.
Hast du den Trail,
den Berg, die Herausforderung geschafft? Glückwunsch. Erzähl es
uns! Das ist verdient. Alles andere braucht kein Mensch.
Was ist Glück?
Antworten und Definitionsversuche gibt es viel zu viele. Man kann
sich imho nur immer wieder annähern und feststellen: „Das! Das
war es.“ Und das kann dann einfach ein frostiger Mittwochmorgen im
Grunewald sein.
Viel zu kalt, viel
zu werktags, niemand unterwegs. Außer zwei Freunden beim
Querfeldeinlauf über gefrorenen Boden aber unter blauem Himmel.
Der eine erzählt von seiner Kündigung und der zeitgleich
aufgehenden neuen Job-Option. Der andere erzählt von den familiären
Problemen zuhause mit Mutter und Vater. Gleich danach wechselt das
Thema zu den strahlenden neuen Möglichkeiten die sich dem begabten
jungen Journalisten gerade bieten.
Noch immer niemand
sonst im Wald unterwegs. Nichtmal Hundehalter.
Die negativen
Episoden werden eingerahmt von neuen Optionen und Geschichten aus dem
Freundeskreis, während es über Drachenberg, Teufelsberg und diverse
Hügel hoch und runter geht.
Nach 25 Kilometern
und 400 Höhenmetern ist Schluss. Abklatschen. Glücklich nach Hause
fahren.
Man soll die Komfortzone verlassen, denn nur dort sind wahres Wachstum und neue Erfahrungen möglich. Außerhalb der Komfortzone ist es vielleicht kalt, nass, anstrengend – aber es ist halt für den guten Zweck.
Doch was ist der komfortable Bereich? Ist er warm und gemütlich und gewohnt? Oder vielleicht kalt und nass und anstrengend? Und was macht es mit der Komfortzonentheorie, wenn es sich ins Gegenteil verkehrt?
Mein Büro ist warm und komfortable. Ein schöner Blick auf die Altstadtmauer, große Pflanze, wohltemperiert. Draußen hat es letzte Woche geregnet und war kalt. Doch der Wind in der internen Struktur und dem Kommandogefüge war kälter, so dass ich an zwei Abenden dezent abgefuckt meine Laufschuhe angezogen habe und im dunklen, kalten Regenwetter Kilometer abgerissen habe. 17 am ersten Tag, 21 zwei Tage später. Nach 12 Kilometern war ich beide mal nass und kalt und verschwitzt – und ruhig. Es funktioniert halt immer wieder. Trotzdem habe ich mich gefragt, wo jetzt die Komfortzone eigentlich liegt? Doch draußen, wo wieder alles gut wurde? Obwohl es nass und kalt war?
Eine Woche später. Der erwähnte Job ist noch relativ frisch. Ziemlich weit oben in der Hackordnung. Es knirscht. Mal wieder. Die Probezeit ist noch nicht ganz vorbei. Also Bilanz ziehen, Meinung sagen, professionell bleiben, trennen, Laufschuhe an, ab in Dunkelheit, Kälte, Schnee. Nach 12 Kilometern wird es ruhiger im Kopf. Nach 16 ist Schluss – es gibt am Abend noch viele Biere zu trinken. So viel Mensch sein muss sein.
Was lernen wir daraus? Laufen ist gut. Und: das Büro im neuen Job ist ganz klar nicht die Komfortzone. Gut, dass ich auch dort viel Zeit verbracht habe. Denn ich habe wirklich viel gelernt, das ich im gemütlichen Lebensteil davor nicht wusste. Aber das ist eine andere Geschichte. Was ich auch wieder bestätigt bekommen habe: Komfortzonen sind von Mensch zu Mensch und Situation zu Situation unterschiedlich.