2019 war krass: 2700 Laufkilometer, 4000 Radkilometer, 70.000 Höhenmeter gesamt. Was bleibt hängen? Was bringt 2020?
Der Veranstaltungskalender 2019 war schon Anfang des Jahres prall gefüllt. Kein Wunder – mittlerweile sind viele Lauf-Events extrem schnell ausgebucht. Da sollte man schnell sein. Dazu kamen spontane Entscheidungen. Und ganz nebenbei der Transalpine Run. Manche Entscheidung war fragwürdig, aber bereut habe ich keine. Ich bin tatsächlich ohne nennenswerte Verletzungen durchgekommmenn. Spoiler: Davon bleit eine Menge hängen – als Erinnerung, aber auch als Erfahrungswert.
Und sonst? Was steht ganz oben auf der Erinnerungsbestenliste nach einem Jahr voller Höhepunkte?
Der letzte Wettkampf ist Wochen her, Umfang und Intensität des Trainings haben sich verschoben, das Laufjahr 2019 geht zu Ende. Für den Rückblick fühlt es sich zu früh an, für eine Standortbestimmung nicht.
Es geht schon wieder los – Jahresrückblicke wohin man schaut. Und wird von Jahr zu Jahr schlimmer? Wird es bestimmt, denn das ist ja immer so. Aber da wir alle eifrig unsere Läufe, Radfahrten, sonstige Trainings und teilweise sogar Fahrten zum nächsten Supermarkt tracken, ist genau jetzt die Zeit, die avisierten Jahresziele zu checken und zu posten. Fehlen mir noch 27 Kilometer zum Jahresziel? Bin ich schon 12% drüber? Feiern wir uns gegenseitig!
Starkwind im Gesicht, abwechselnd Regen und Nebel, es ist kühl – die Premiere des Oberlausitztrails hat es nicht leicht. Und doch: die Wolken ziehen immer wieder auf, die Landschaft ist wunderschön, die Strecke super gewählt und die Premierennervosität der Organisatoren unbezahlbar charmant. Schöner kann ein kleiner Herbst-Ultra kaum sein.
Vor der Startlinie stehen zwei Tische. „Die könnt ihr auch wegräumen,“ lässt uns der Moderator wissen, als sich die knapp 90 StarterInnen des 1. Oberlausitztrails für die lange Runde aufstellen. Lang, das heißt hier 48 km inkl. 4 km Asphalt und 1.200 Höhenmetern. Dann wird runtergezählt. „3 -2 -1 – – – – Stille.“ Kein Schuss. Niemand startet. Alle schauen etwas verwirrt. Naja, dann laufen wir halt doch und einfach so. Nach 15 Metern dann ein Schuss. „Wir müssen jetzt aber nicht zurück, oder?“ „Ich glaube nicht.“ Die Stimmung passt jedenfalls, als es die wenigen hundert Meter aus Gaußig raus und Richtung Waldwege geht. Der 1.Oberlausitztrail hat begonnen, 1h später als ursprünglich geplant, weil auch noch eine Treibjagd im Wald stattfindet. Na dann…
„Der Start ist dieses Jahr nicht mehr am Marktplatz! Wir starten dieses Mal direkt unten vor der Burg!“ Es scheint auf Burg Eisenhardt in Bad Belzig heute nur ein zentrales Thema zu geben – den geänderten Startplatz. Uns wenigen ErstteilnehmerInnen ist das herzlich egal. Irgendwo wird es schon losgehen. Da sich nach über 40 Jahren Burgenlauf aber aber fast jeder hier kennt, bewegt das natürlich die Gemüter.
Aber wie kann es eigentlich sein, dass dieser Lauf 2019 schon zum 42. Mal veranstaltet wird, im nur gut 1h entfernten Berlin aber doch relativ unbekannt ist? Man läuft durch viel Natur im wirklich schönen Hohen Fläming, die Orga ist einfach aber effektiv. Die Strecken umfassen 25km, 8km, 3,3km und für die Kids 1,3 Kilometer. Start und Ziel ist die Burg Eisenhardt in Bad Belzig, die zweite von drei Verpflegungsstellen ist im Hof der Wiesenburg – auch das gibt es nicht alle Tage.
3 Grad. Über den Gipfeln des verzaubert schönen Bayerischen Waldes wird es hell. Es soll ein perfekter Spätsommertag werden, aber noch ist es bitterkalt, während uns eine kleine Kapelle zur Startlinie geleitet. 196 offiziell gelistete StarterInnen eröffnen den Arberland Ultratrail 2019. 64 Kilometer, 2.400 Höhenmeter. Ein knackiges Programm.
Der Arberland Ultratrail findet erst zum 4. Mal statt, hat aber schon jetzt einen hervorragenden Ruf. Zu Recht. Man verzeiht den wahnsinnig netten Organisatoren schon beim Race Briefing, dass auf den Bibs die falsche Notfallnummer steht. Es gibt an allen VP selbstgemachte Müsliriegel vom Bäcker in Bodenmais, die unendlich viel besser schmecken, als die verriegelte Chemiepampe. Und die Strecke – das Herzstück – ist vom feinsten.
Wir starten wellig auf knapp 1.000 Metern Höhe, laufen rüber zur Arber-Talstation und von dort hoch auf den Großen Arber mit 1455 Metern. Die ersten etwa 12 Kilometer sind ausschließlich Forstwirtschaftswege. Wo bleiben denn die Trails? Und schon geht es ab in den Wald. Hier kommen sie also.
Warme Sonne, trockene Wiese, Arme und Beine weit von mir gestreckt – ich bin total durch. Der Hunsbuckel Trail 2019 fordert derbe. Hätte ich so nicht erwartet. Neben mir liegt ein Läufer, der noch genügend Energie hatte, eine dünne Jacke überzuziehen. „Ich könnte auch einfach nach Hause fahren und mich ins Bett legen. Aber zu Hause warten zwei Kinder auf mich und werden mir keine Ruhe lassen. Da bleibe ich lieber noch was hier.“ Sagt‘s und macht sich wieder lang.
So einfach die Szene ist, so typisch ist sie für den HuBuT: Anstrengend, aber auch so wahnsinnig sympathisch. Einer der schönsten Landschaftsläufe in Deutschland. So viel schon vorweg.
Wir hatte dieses Jahr viel Glück. Im Gegensatz zur Hitzeschlacht 2018 war ein verregnetes Wochenende mit Starkregen am Lauftag angesagt. Es ist entsprechend matschig, als es um 7h für rund 200 LangdistanzläuferInnnen losgeht. 66 km, 1.600 Höhenmeter. Es ist dampfig, aber kein Regen. Und es bleibt dampfig. Als läuft man durch eine alte Waschküche, denn im traumhaften Hunsrücker Wald geht natürlich kein Lüftchen – egal wie lauthals die Windräder auf den Hügeln drehen. Singletrails, Wurzeltrails, es flowt, es windet sich, es geht immer leicht auf und ab, über kleine Brücken und Flüsse. Asphalt gibt es nur an den wenigen Straßenquerungen, dafür immer wieder leicht technisches Waldterrain. Die erste Getränkestelle wird von allen Läufern im vorderen Drittel ignoriert, sie kommt ja auch schon nach rund 5 km.
„Sorry guys, sorry guys.“ Vom winzigen Hamperokken-Gipfel auf 1404 Metern geht es senkrecht runter. Ein Kletterseil als Hilfe – nicht als Sicherung. Der Italiener vor mir ist kurz vor Panik, kurz vor Starre. „Easy man, take your time. No hurry. We all want to get down alive.“ Zitternd schiebt er einen Fuß vor den anderen, krallt sich am Felsen fest. Es sind etwa 20 Meter, bis die Bergspitze sich minimal weitet, das Seil endet. Er schafft es. Stützt sich an die Felswand. Bleich. Atmung kurz vor Hyperventilation. „Do you need anything? Do you have water?“ Er nickt, winkt ab. Wir steigen weiter runter.
Die nächsten rund 800 Höhenmeter abwärts denke ich öfter an ihn. Er wird sich nur noch nach Hause wünschen, denn der Abstieg besteht ausschließlich aus rutschigem Sand, Steinen und immer wieder Felsspitzen. Keine Absturzgefahr, aber fiese Knochenbrechsturzgefahr. Mich schmeißt es nach der Hälfte. Schwerpunkt runter, auf dem Arsch landen. Alles gut. „Falling here is easy, it‘s perhaps the most technical part,“ muntert mich ein Norweger auf, nachdem er sich versichert hat, dass ich ok bin. Er macht den Harakiri-Abstieg schneller als ich. Stürzt selber 3 Minuten später. Rutscht. Rappelt sich auf. Weiter. Ich will nur noch von diesem verdammten Berg runter.
Als wir endlich am wunderschönen Bergsee ankommen denke ich an die erste Hälfte des Tromsø Skyrace. Da dachte ich schon, ich hätte verstanden, was mit „extremely technical“ gemeint war. Nach weniger als 3 km durch Tromsø geht es einen schönen Trail zur Seilbahnstation hoch, von dort weiter auf den Bønntuva. Bevor wir oben sind, passieren wir das erste endlose wirkende Geröllfeld. Aufpassen, bevor es wieder flowig wird. Leichte Trails, downhill, Fersengas. Eine Freude. Dann der nächste Anstieg. Immer weiter. Steil. Es wird tatsächlich eng mit der Cut Off Zeit. Das ist ein bisher unbekanntes Gefühl. Und es geht immer weiter hoch.
Der Zugspitz Ultratrail schreibt seine eigenen Geschichten. Zentral in der 9. Auflage: Unwetter, Absagen, Wut, Zusammenhalt, Hitze, Schweiß, Tränen, Stolz und endlose Freude.
Es ist schwül, deutlich über 30 Grad, Unwetter ist angesagt und die Wolken hängen schwer. Nach rund 1.200 absolvierten Höhenmetern und anschließend über 25 Kilometern in der Ebene geht es schon wieder steil bergan. Ich habe noch nie so viele starke und erfahrene Läufer am Rande des Kollaps gesehen. Die meisten haben wohl in der Ebene überpaced. Es zieht sich, doch meine Taktik scheint aufzugehen: auf der Geraden Körner sparen, Anstiege sauber durchziehen, Abstiege entweder laufen lassen oder überleben, am Ende Tempo machen.
24h vorher: Es ist heiß in Grainau, während immer mehr Sportler über die Expo schlendern und kaufen, fachsimpeln, erzählen. Der ZUT ist ein großes Familientreffen. Ein Thema schwingt bei vielen mit: Für Samstag ist Gewitter angesagt. Und Gewitter in alpinen Bergen ist nicht zu vergleichen mit Regen im Mittelgebirge. Am Nachmittag schweigt der Buschfunk rum, dass die Distanzen Ultratrail (102,5 km) und Supertrail XL (82 km) abgesagt seien. Alle entsprechenden Teilnehmer*innen werden auf den Supertrail (64 km) gesetzt. Die Stimmung ist seltsam, die Hitze steht, die Schwüle wird schwerer. Es hängt was in der Luft – Emotion und Wetter. Das spürt jeder. Dann die offiziellen Nachrichten per Mail, SMS und Social Media. Die Gerüchte stimmen.
1214m hoch, umgeben von Wald und Bergwiesen – der Fichtelberg hat eine mystische und wunderschöne Anziehungskraft. Mit 1214m Höhe weithin sichtbar, muss man sich den Blick aufs malerische Erzgebirge aber erst verdienen. Wie es sich für einen Berg gehört.
Genau das machen rund 100 Läufer bereits zum 6. Mal: 2019 startet der FichtelbergUltra mit Teilnehmerrekord wieder aus dem Wasserschloss Klaffenbach bei Chemnitz.
55 Kilometer und 1.600 Höhenmeter gilt es zu machen, 3 Verpflegungspunkte unterstützen die Läufer. Genau diese Eckdaten haben mich gelockt, als ich von diesem Lauf hörte:
Überschaubare Distanz mit tollem Höhenprofil
Teilnehmer-Limit das eine familiäre Atmosphäre verspricht
1 Lauf, keine Varianten, kein hier-findet-jeder-seinen-Lauf
keine Trailrun-Butterfahrt mit Catering alle 7 Kilometer
Komischer Name: Bleilochlauf. „Was soll‘n das heißen?“ hört man immer wieder beim Fachgesimpel anderer Läufer. Sein Ruf eilt dem eher kleinen aber sehr feinen Lauf voraus. Also 2019 zum Saison Kickoff gemacht und ausprobiert. Goldrichtige Entscheidung!
Mit Bahn und Bus nach Saalburg zu kommen, ist die erste Herausfoderung. ICE, Regionalzug, 2x Bus. Personen im Gleis, ICE zu spät, Regionalzug wartet natürlich nicht die nötigen 3 Minuten, Busse fahren nur alle 2 Stunden. Immerhin: Bis Schleiz komme ich irgendwann. Auch ganz schön das Städtchen inklusive ehemaligem Bahnhof, ehemaligem Schloss und noch offener Bäckerei. Nur kalt ist es geworden. Berlin: 26 Grad beim Start. Schleiz 12 Grad beim Ausstieg aus Bus 1.
Endlich mit dem letzten Bus in Saalburg angekommen. Es regnet. Bett im SEZ Kloster reserviert. Etagenbetten. Lange nicht mehr gehabt. Hunger? Es gibt eine Art Pommesbude mit Currywurst am angrenzenden Campingplatz. Danke nein, Vorräte wegmachen und nicht in die nasse Kälte gehen klingt besser.